Kompakt Allgemeinmedizin
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Bereits im Kleinkindalter folgen auf Übergewicht häufig Stoffwechselerkrankungen

Es ist keine schöne Botschaft: Sind Kinder erst einmal über­ge­wichtig, dann entwi­ckeln sie in den Folge­jahren oft auch meta­bo­li­sche Störungen, wie etwa Blut­hoch­druck, schlechte Blut­fett­werte, und erhöhte Glukose- oder Insu­lin­werte – Risi­ko­fak­toren für Diabetes Typ 2 oder Herz­kreis­lauf­erkran­kungen. Das ist das Ergebnis einer vor Kurzem im Fach­ma­gazin Inter­na­tional Journal of Epide­mio­logy veröf­fent­lichten Studie, an der zehn euro­päi­sche Insti­tu­tionen unter Feder­füh­rung des Leibniz-Insti­tuts für Präven­ti­ons­for­schung und Epide­mio­logie – BIPS betei­ligt waren. 

Es gibt diese Redensart: Was Häns­chen nicht lernt, lernt Hans nimmer­mehr. In der Neuro­logie wurde sie schon lange wider­legt. Menschen können auch noch spät im Leben Gitar­re­spielen oder Jonglieren lernen. Beim Stoff­wechsel scheint diese Weis­heit jedoch leider zu stimmen – zumin­dest meis­tens. Ist Häns­chen stark über­ge­wichtig, dann wird es Hans vermut­lich auch sein. Und er trägt damit oft auch ein deut­lich erhöhtes Risiko für weitere teils schwer­wie­gende Krank­heiten mit sich herum. Zu diesem Schluss kommt ein euro­päi­sches Studi­en­team, zu dem Claudia Börn­horst, Maike Wolters, Timm Inte­mann, Anna Floegel und Wolf­gang Ahrens vom BIPS zählen. Es wollte wissen, wie sich der meta­bo­li­sche Status vom Klein­kind­alter bis hin in die Jugend entwi­ckelt.
Die Antwort auf diese Frage lieferten Daten, die im Rahmen der euro­päi­schen IDEFICS/I.Family-Kohortenstudie erhoben wurden. Bei der vom BIPS gelei­teten IDEFICS-Studie wurden mehr als 16.000 Kinder im Alter von 2 bis 9 Jahren in acht euro­päi­schen Ländern (Belgien, Deutsch­land, Estland, Italien, Spanien, Schweden, Ungarn und Zypern) unter­sucht, um den Einfluss von Ernäh­rung und Lebens­stil auf ihre Gesund­heit zu erfor­schen. Im Rahmen der eben­falls BIPS-geführten Folge­studie I.Family wurde ein großer Teil der Kinder – nun zwischen 7 und 17 Jahre alt – zu einem späteren Zeit­punkt erneut unter­sucht. Darüber hinaus wurden auch Fami­li­en­mit­glieder befragt.

„Ausge­wertet wurden hier Daten von 6.768 Kindern, die über eine 6‑Jahres Spanne wieder­holt unter­sucht wurden. Die Erhe­bungen umfassten neben Frage­bögen auch körper­liche Unter­su­chungen sowie die Samm­lung von Blut‑, Spei­chel- und Urin­proben. Insbe­son­dere Blut­pa­ra­meter sind bei jungen Kindern schwierig zu erheben, was unsere Daten­basis so außer­ge­wöhn­lich und selten macht. Diese Daten ermög­lichten es uns, Verän­de­rungen im meta­bo­li­schen Status von Klein­kin­dern bis hin in die Jugend zu analy­sieren“, so Studi­en­erst­au­torin Dr. Claudia Börn­horst vom BIPS.

Die Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler konnten fünf zentrale Gruppen iden­ti­fi­zieren: Die meisten Kinder waren zur Basis­er­he­bung meta­bo­lisch gesund (61,5 Prozent), 15,9 Prozent hatten einen erhöhten Tail­len­um­fang und galten somit als abdo­mi­nell über­ge­wichtig, 9 Prozent wiesen eine Fett­stoff­wech­sel­stö­rung auf, 7 Prozent litten unter Blut­hoch­druck und 6,6 Prozent vereinten mehrere Kompo­nenten des soge­nannten Meta­bo­li­schen Syndroms. Dazu zählen: Adipo­sitas, Blut­hoch­druck, Lipidstö­rungen (schlechte Blut­fett­werte) und erhöhte Glukose-/Insu­lin­werte. Sie alle gelten als Anzei­chen einer meta­bo­li­schen Störung. Sobald drei oder gar vier der oben genannten Risi­ko­fak­toren vorge­ge­bene Grenz­werte über­schreiten, wird von einem Meta­bo­li­schen Syndrom gespro­chen.

„Abdo­mi­nelles Über­ge­wicht scheint tatsäch­lich bereits bei Kindern der Start­punkt für weitere meta­bo­li­sche Störungen wie beispiels­weise Blut­hoch­druck oder Lipidstö­rungen zu sein“, führt Börn­horst weiter aus. Sie fügt an: „Über­ra­schend fanden wir, dass es selbst in dem betrach­teten 6‑Jahres Zeit­raum kaum ein Kind aus der Gruppe mit mehreren Kompo­nenten des Meta­bo­li­schen Syndroms zurück in den meta­bo­lisch gesunden Status schaffte. Dies unter­streicht nochmal, wie wichtig es ist, früh­zeitig zu inter­ve­nieren. Schon bei ersten Tendenzen in Rich­tung Über­ge­wicht sollte gegen­ge­lenkt werden, damit Kinder erst gar nicht in den kaum rever­si­blen meta­bo­lisch unge­sunden Status gelangen.“
Waren Kinder bei der ersten Messung meta­bo­lisch gesund, dann blieben sie es mit großer Wahr­schein­lich­keit auch bis zur Folge­er­he­bung (86,6 Prozent). Kinder, die bei der ersten Daten­er­he­bung ledig­lich als über­ge­wichtig galten, entwi­ckelten in 18,5 Prozent der Fälle mehrere Kompo­nenten des Meta­bo­li­schen Syndroms. Wiesen Kinder bereits bei der ersten Messung mehrere meta­bo­li­sche Störungen wie Blut­hoch­druck oder erhöhte Insu­lin­werte auf, dann behielten sie diese mit sehr großer Wahr­schein­lich­keit auch über den gesamten Unter­su­chungs­zeit­raum bei.
Die Erkennt­nisse der Studie zeigen außerdem, wie wichtig es ist, die Proban­dinnen und Probanden über längere Zeit­räume wissen­schaft­lich zu begleiten. Nur so lassen sich die lang­fris­tigen Folgen verschie­dener Lebens­stile iden­ti­fi­zieren. Deshalb plant das Forschungs­team für dieses Jahr eine erneute Befra­gung der dann 12 bis 22 Jahre alten Studienteilnehmenden. 

Originalpublikation:

Origi­nal­ver­öf­fent­li­chung: Börn­horst C, Russo P, Veide­baum T, Torn­aritis M, Molnar D, Lissner L, Marild S, De Henauw S, Moreno LA, Inte­mann T, Wolters M, Ahrens W, Floegel A, on behalf of the IDEFICS and I.Family consortia. Meta­bolic status in children and its tran­si­tions during child­hood and adole­s­cence — The IDEFICS/I.Family study. Inter­na­tional Journal of Epide­mio­logy. 2019; (Epub 2019 May 16). http://dx.doi.org/10.1093/ije/dyz097

Quelle: Leibniz-Institut für Präven­ti­ons­for­schung und Epide­mio­logie — BIPS



 

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