Kompakt Allgemeinmedizin
© angellodeco - stock.adobe.com (Symbolbild)

Antibiotika-Resistenz schon vor dem Einsatz in Deutschland

Ente­ro­bak­te­rien wie Esche­ri­chia coli sind gefürch­tete Kran­ken­haus­keime, die schwere Infek­tionen verur­sa­chen können. Die Infek­ti­ons­ge­fahr wächst, denn sie werden zuneh­mend resis­tent gegen eine Gruppe von Anti­bio­tika, die eigent­lich die entschei­dende Reserve für den Notfall ist: die Carba­pe­neme. Eine neue Kombi­na­tion von zwei anti­mi­kro­biellen Substanzen galt als Hoff­nungs­träger – doch eine Studie an der Justus-Liebig-Univer­sität (JLU) und dem Deut­schen Zentrum für Infek­ti­ons­for­schung (DZIF) machte diese Hoff­nung nun zunichte. Schon vor dem Einsatz der Substanzen in Deutsch­land konnten die Wissen­schaftler Bakte­rien finden, denen diese neue Kombi­na­tion nichts mehr anhaben kann.

2017 gab die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion (WHO) eine Liste von zwölf multi­re­sis­tenten Krank­heits­er­re­gern heraus, für die drin­gend neue Wirk­stoffe benö­tigt werden. Höchste Prio­rität haben Acin­et­o­bacter baumannii und Pseu­do­monas aeru­gi­nosa sowie die genannten Ente­ro­bak­te­rien, die gegen Carba­pe­neme resis­tent sind. Für sie gilt eine neue Kombi­na­tion aus zwei anti­mi­kro­biellen Substanzen – Aztreonam und Avibactam – als Hoffnungsträger.

Hoffungs­träger gegen spezi­fi­sche Resistenzen
„Aztreonam-Avibactam ist eine Kombi­na­tion aus einem älteren Anti­bio­tikum – Aztreonam – mit einem neueren Hemm­stoff – Avibactam –, der die Wirk­sam­keit der Resis­tenz gegen Carba­pe­neme aufheben kann und so die Bakte­rien wieder angreifbar macht“, erklärt Dr. Can Imirz­a­li­oglu, DZIF-Wissen­schaftler am Institut für Medi­zi­ni­sche Mikro­bio­logie der JLU und Mitautor der Studie.

Eine gute Wirk­sam­keit wird beson­ders bei Ente­ro­bak­te­rien erwartet, deren Resis­tenz­me­cha­nismus auf einem bestimmten Typ von Carba­pe­n­e­mase-Enzymen beruht. Bisher sind Infek­tionen mit solchen Carba­penem-resis­tenten Erre­gern oftmals nur sehr schwer zu behan­deln, da die Thera­pie­op­tionen mit vorhan­denen Anti­bio­tika stark einge­schränkt oder sogar gar nicht mehr gegeben sind“, ergänzt der Forscher.

Derzeit ist die fixe Kombi­na­tion dieser beiden Substanzen als Therapie noch nicht frei verfügbar und wird nur in klini­schen Studien einge­setzt. In Europa gehören unter anderem Grie­chen­land und Italien zu Ländern, die ihre Hoff­nungen auf die Kombi­na­tion von Aztreonam und Avibactam setzen, da dieser Carba­pe­n­e­mase Typ dort weiter verbreitet ist als in Deutsch­land. Das Vorkommen Carba­penem-resis­tenter Erreger steigt aber welt­weit stetig an.

Vor diesem Hinter­grund konnte das Team um den Resis­tenz­for­scher Prof. Dr. Patrice Nord­mann an der Univer­sität Fribourg (Schweiz) Mecha­nismen iden­ti­fi­zieren, die zu Resis­tenzen gegen Aztreonam-Avibactam führen und auch schon Erreger nach­weisen, die diese besitzen. „Diese Resis­tenz entsteht durch eine spezi­fi­sche Kombi­na­tion aus Verän­de­rungen in vorhan­denen Struk­turen der Bakte­rien in Verbin­dung mit dem Erwerb bestimmter Resis­tenz­gene“, beschreibt Dr. Yancheng Yao, Mitautor der Studie und DZIF Wissen­schaftler am Institut für Medi­zi­ni­sche Mikro­bio­logie der JLU Gießen die Mechanismen.

Studie weist frühe Resis­tenzen in Deutsch­land nach
In einer Koope­ra­tion mit den Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaft­lern aus Fribourg konnten die Gießener nun mittels einer Genom­ana­lyse von Bakte­rien, die im Rahmen einer Surveil­lance-Studie für hoch­re­sis­tente Erreger in Hessen (Surv­CARE) durch­ge­führt wurde, erst­mals solche Erreger auch in Deutsch­land nach­weisen. „Das ist besorg­nis­er­re­gend, denn diese Wirk­stoff-Kombi­na­tion wird hier noch nicht klinisch einge­setzt“, erklärt Prof. Dr. Trinad Chakra­borty, Direktor des Insti­tuts für Medi­zi­ni­sche Mikro­bio­logie der JLU und Co-Koor­di­nator des Forschungs­be­reichs Kran­ken­haus­keime und Anti­bio­tika-resis­tente Bakte­rien des DZIF.

Alar­mie­rend ist hierbei auch die Tatsache, dass diese Resis­tenz auch bei Bakte­rien gefunden wurde, die in Deutsch­land sehr häufig vorkom­mende Carba­pe­n­e­masen tragen. Dadurch werde das Poten­zial von Aztreonam-Avibactam als Initi­al­the­rapie deut­lich einge­schränkt. „Die Erwar­tung als Hoff­nungs­träger-Kombi­na­tion bei Infek­tionen mit Carba­penem-resis­tenten Erre­gern kann mögli­cher­weise nicht erfüllt werden“, so die Bilanz des Wissenschaftlers.

Origi­nal­pu­bli­ka­tion: Nord­mann P, Yao Y, Falgen­hauer L et al. Recent emer­gence of aztreonam-avibactam resis­tance in NDM and OXA-48 carba­pe­n­e­mase-produ­cing Esche­ri­chia coli in Germany. Anti­mi­crob Agents Chemo­ther 2021 Aug 23:AAC0109021. https://doi.org/10.1128/AAC.01090–21

Quelle: Deut­sches Zentrum für Infektionsforschung

 

Um weiter­zu­lesen, regis­trieren Sie sich bitte hier.

Anmelden
   
Anzeige