Kompakt Allgemeinmedizin
Die Studienteilnehmer konnten die Fragen mit ihrem Smartphone beantworten. ©WWU - Sophie Pieper

Neurotischen Menschen geht es während der Coronakrise emotional schlechter

Neuro­ti­sche Menschen erleben während der Coro­na­krise mehr nega­tive Emotionen im Alltag, sind emotional insta­biler und machen sich mehr Sorgen um ihre Gesund­heit. Das ergab eine Unter­su­chung von Psycho­lo­ginnen und Psycho­logen der West­fä­li­schen Wilhelms-Univer­sität Münster (WWU) und der Univer­sität Biele­feld. Die Studie ist in der Fach­zeit­schrift „Journal of Rese­arch in Perso­na­lity“ erschienen.

Der Beginn der Corona-Pandemie im März hat den Alltag vieler Menschen grund­le­gend verän­dert. Ein normaler Arbeits­alltag, ein leben­diges öffent­li­ches Leben und unbe­schwerte Sozi­al­kon­takte erscheinen wie eine Erin­ne­rung aus einer anderen Zeit. Um zu erfor­schen, wie sich diese Beschrän­kungen auf das emotio­nale Wohl­be­finden auswirken, haben die Wissen­schaftler eine Befra­gung zum Umgang mit der Pandemie durch­ge­führt. „Unsere Analysen ergaben, dass es den meisten Menschen trotz der Beschrän­kungen in dieser Zeit relativ gut ging“, erklärt Dokto­randin und Studi­en­lei­terin Lara Kröncke vom Institut für Psycho­logie der WWU. „Diese Ergeb­nisse passen zu anderen Unter­su­chungen, die zeigen, dass die meisten Menschen besser mit den Einschrän­kungen zurecht­kommen als gedacht.“

Die Studie bestand aus zwei Teilen und begann kurz vor Beginn des ersten Lock­downs in Deutsch­land am 18. März. Zunächst machten die Teil­nehmer in einem Online-Frage­bogen Angaben zu ihrer Person und zu ihren persön­li­chen Einstel­lungen und Verhal­tens­weisen im Umgang mit dem Coro­na­virus. In einer zweiten Phase beant­wor­teten mehr als 1.600 Teil­nehmer bis zum 3. April per Smart­phone mehr­mals am Tag Fragen nach den aktu­ellen Gefühls­lagen und sozialen Kontakten.

Es gab einige Personen, die häufiger nega­tive Gefühle wie Angst und Unsi­cher­heit erlebten und emotional insta­biler waren, also von stär­keren emotio­nalen Schwan­kungen berich­teten“, betont Lara Kröncke. Um heraus­zu­finden, welche Perso­nen­gruppen am stärksten betroffen waren, verglich die Forscher­gruppe den Einfluss von demo­gra­phi­schen Merk­malen und Persön­lich­keits­ei­gen­schaften auf das emotio­nale Wohl­be­finden im Alltag. Dabei stellte sich Neuro­ti­zismus – die Tendenz unsi­cher und nervös zu sein und eine nega­tive Sicht auf sich, die Welt und die Zukunft zu haben – als größter Risi­ko­faktor für emotio­nale Probleme heraus: Neuro­ti­sche Personen berich­teten über den gesamten Studi­en­zeit­raum hinweg von mehr und stärker schwan­kenden nega­tiven Gefühlen. Außerdem beschäf­tigten sie sich mehr mit dem Coro­na­virus und machten sich mehr Sorgen um ihre Gesund­heit, was wiederum nega­tive Gefühle wie Angst, Unsi­cher­heit und Ange­spannt­heit verstärkte. Der Einfluss von Neuro­ti­zismus auf die Gefühls­lage der Menschen war sogar höher als der Einfluss von demo­gra­phi­schen Faktoren wie Geschlecht, Alter und Gesund­heits­status. „Diese Ergeb­nisse zeigen, dass unsere Persön­lich­keit einen entschei­denden Einfluss darauf hat, wie wir mit der Krise umgehen“, fasst Mitautor Prof. Dr. Mitja Back vom Institut für Psycho­logie der WWU die Ergeb­nisse zusammen.

Die Ergeb­nisse können genutzt werden, um Personen zu iden­ti­fi­zieren, die ein beson­ders hohes Risiko für emotio­nale Probleme während der Corona-Krise haben. „Das ist wichtig, um gezielt Risi­ko­gruppen anspre­chen zu können“, erläu­tert Lara Kröncke. Mit neuen Studien wollen die Forscher unter­su­chen, welche Maßnahmen bei diesen Personen beson­ders wirksam sind und wie sich das emotio­nale Wohl­be­finden über einen längeren Zeit­raum hinweg weitentwickelt.

Origi­nal­pu­bli­ka­tion: Kroencke L. et al. (2020) Neuro­ti­cism and emotional risk during the COVID-19 pandemic. Journal of Rese­arch in Perso­na­lity, 89, 104038. https://doi.org/10.1016/j.jrp.2020.104038

Quelle: West­fä­li­sche Wilhelms-Univer­sität Münster



 

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