Kompakt Allgemeinmedizin
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Neue Klassifikationskriterien für Fibromyalgie: Gefahr der Fehldiagnose?

Bereits seit Jahr­zehnten wird in der medi­zi­ni­schen Fach­welt über die Einstu­fung chro­nisch verbrei­teter Schmerzen als körper­liche Störung (Fibro­my­algie-Syndrom; FMS) oder als somat­o­forme Störung nach psych­ia­tri­schen Klas­si­fi­ka­ti­ons­sys­temen debat­tiert. Mit der 11. Version der Inter­na­tio­nalen Klas­si­fi­ka­tion der Krank­heiten (ICD 11) der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion (WHO) wurden neue Klas­si­fi­ka­ti­ons­kri­te­rien des FMS und der körper­li­chen Belas­tungs­stö­rung eingeführt.

Medi­ziner um Winfried Häuser, Saar­brü­cken, unter­zogen diese nun einer kriti­schen Bewer­tung. Ihr Fazit: Die Verwen­dung der Diagno­se­kri­te­rien für soma­ti­sche Symptom­stö­rungen (SSD)/körperliche Belas­tungs­stö­rungen (BDD) berge die Gefahr, dass Pati­enten mit FMS fälsch­li­cher­weise als Menschen mit einer vorherr­schenden psychi­schen Erkran­kung einge­stuft würden.

In ihrer Publi­ka­tion im Fach­ma­gazin „Pain Reports“ erläu­tern Häuser et al. die Resul­tate ihrer Unter­su­chung. Sie erklären, dass das FMS aus dem Kapitel über Krank­heiten des Bewe­gungs­ap­pa­rats gestri­chen wurde und nun im Kapitel „Symptome, Anzei­chen, klini­sche Formen und anor­male klini­sche und Labor­be­funde, nicht ander­weitig klas­si­fi­ziert“ enthalten ist. Zuvor sei die ICD-10-Diagnose „somat­o­forme Störung“ von den psych­ia­tri­schen Fach­rich­tungen häufig anstelle der Bezeich­nung FMS verwendet worden.

Weiter legen die Autoren dar, dass die Kate­gorie der somat­o­formen Störungen sowohl in der ICD-11 als auch in der 5. Version des Diagno­stic and Statis­tical Manual of Mental Disor­ders der American Psych­ia­tric Asso­cia­tion als Diagno­se­ka­te­gorie gestri­chen und durch die neuen Kate­go­rien der BDD bzw. der SSD ersetzt wurde.

Für die Diagnose dieser letzt­ge­nannten psychi­schen Störungen ist ≥1 belas­tendes soma­ti­sches Symptom (z.B. Schmerzen) plus posi­tive psycho­be­ha­vi­orale Krite­rien erfor­der­lich, nämlich „exzes­sive Gedanken, Gefühle oder Verhal­tens­weisen im Zusam­men­hang mit den soma­ti­schen Symptomen oder damit verbun­denen gesund­heit­li­chen Bedenken“, ohne dass die belas­tenden soma­ti­schen Symptome medi­zi­nisch unge­klärt sein müssen.

Fazit
Die Autoren resü­mieren, dass die psycho­be­ha­vi­oralen Krite­rien von BDD/SSD ungenau defi­niert seien. Sie könnten fälsch­li­cher­weise als „über­mä­ßige gesund­heit­liche Bedenken“, die aufgrund der vielen Unsi­cher­heiten im Zusam­men­hang mit FMS auftreten können, oder als „über­mä­ßiger Zeit­auf­wand für die Symptome“, der mit den Selbst­ma­nage­ment­stra­te­gien der Pati­enten zusam­men­hängen kann, inter­pre­tiert werden. (ah)

Autoren: Häuser W et al.
Korre­spon­denz: Winfried Häuser; winfriedhaeuser@googlemail.com
Studie: Fibro­my­algia syndrome‑a bodily distress disorder/somatic symptom disorder?
Quelle: Pain Rep 2025;10(1):e1223.
Web: https://doi.org/10.1097/PR9.0000000000001223

 

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