Kompakt Allgemeinmedizin
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Mögliche Ursache für anhaltende Kopfschmerzen identifiziert

Kopf­schmerzen zählen zu den frühesten und häufigsten Symptomen einer Covid-19-Erkran­kung. Und sie zählen auch zu denje­nigen Beschwerden, die noch Wochen oder gar Monate nach dem Abklingen der akuten Infek­tion bestehen bleiben können. Wie es zu dieser Chro­ni­fi­zie­rung von Schmerzen kommt, ist eine der Fragen, denen sich die schmerz­me­di­zi­ni­sche Forschung in der Covid-19-Pandemie widmet.

Die Covid-19-Pandemie hat auf mehreren Ebenen Auswir­kungen auf Schmerzen bezie­hungs­weise auf die Behand­lung von Schmerz­pa­ti­enten“, sagt Prof. Dr. med. Winfried Meißner, Leiter der Sektion Schmerz­the­rapie in der Klinik für Anäs­the­sio­logie und Inten­siv­me­dizin am Univer­si­täts­kli­nikum Jena und Präsi­dent der Deut­schen Schmerzgesellschaft.

Neben den akuten Schmerzen, die als direkte Krank­heits­folge auftreten, kommt es bei einem Teil der Pati­en­tinnen und Pati­enten auch zu lang­an­hal­tenden Beschwerden, die durch die Krank­heit selbst oder durch die inten­siv­me­di­zi­ni­sche Behand­lung verur­sacht werden. „Diese Phäno­mene sind zwar inzwi­schen gut beschrieben und zahlen­mäßig erfasst – die Mecha­nismen, auf denen sie beruhen, sind jedoch noch weit­ge­hend unklar“, sagt Prof. Dr. med. Andreas Straube, Ober­arzt an der Neuro­lo­gi­schen Klinik und Poli­klinik der LMU München. Der Kopf­schmerz­ex­perte verweist dabei auf Studien, die zeigen, dass Betrof­fene, die schon vorher an einem primären Kopf­schmerz, meist Migräne, erkrankt waren, nach einer Sars-CoV2-Infek­tion über eine Verstär­kung dieser Kopf­schmerzen berichten. Andere Pati­enten entwi­ckelten einen neuen, bisher nicht bekannten, anhal­tenden Kopf­schmerz [1].

Für die akuten Schmerzen könnten sowohl neuro­pa­thi­sche, also auf einer Schä­di­gung oder Fehl­funk­tion von Nerven beru­hende, als auch entzünd­liche Mecha­nismen verant­wort­lich sein. Bei den chro­ni­schen Formen wird in neueren Forschungs­ar­beiten eine Betei­li­gung des so genannten Inflamm­a­soms disku­tiert [1]. „Dabei handelt es sich um einen Eiweiß­kom­plex, der sich inner­halb von Zellen befindet und als Reak­tion auf Krank­heits­er­reger oder zellu­lären Stress akti­viert wird“, erläu­tert Straube.

Als Teil der ange­bo­renen Immun­ab­wehr ist das Inflamm­asom in der Lage, die Frei­set­zung von Entzün­dungs­bo­ten­stoffen zu veran­lassen – ein Mecha­nismus, der mögli­cher­weise nicht nur bei der Entste­hung von lang­an­hal­tenden Kopf­schmerzen nach Covid-19 eine Rolle spielt, sondern auch bei der Chro­ni­fi­zie­rung von primären – also ohne erkenn­bare Ursache auftre­tenden – Kopf­schmerzen wie der Migräne.

Es spricht einiges dafür, dass diese Kopf­schmerz­formen auf dieselben Mecha­nismen zurück­zu­führen sind“, sagt Straube und äußert die Hoff­nung, dass sich aus der Erfor­schung Covid-bedingter Kopf­schmerzen neue Behand­lungs­an­sätze ergeben, die dann auch Menschen mit den bisher nur schlecht thera­pier­baren primären Kopf­schmerzen zugutekommen.

Lang­an­hal­tende Schmerzen und Muskel­schwäche können auch als Folge der inten­siv­me­di­zi­ni­schen Behand­lung auftreten – ein Phänomen, das im Engli­schen als Critical illness neuropathy/myopathy (CINM) bezeichnet wird und auf die Schä­di­gung und Fehl­funk­tion einzelner Nerven zurück­geht. „Die CINM ist in der Inten­siv­me­dizin lange bekannt“, sagt Schmerz­ge­sell­schafts-Präsi­dent Meißner. Die Beschwerden seien jedoch bei Covid-19-Betrof­fenen deut­lich häufiger als bei anderen Pati­en­ten­gruppen. In einer schwe­di­schen Studie war mindes­tens jeder sechste Covid-19-Patient, der aus inten­siv­me­di­zi­ni­scher Betreuung entlassen worden war, von einem CINM betroffen – mit teils stark einschrän­kenden Folgen [2].

Auf dem Schmerz­kon­gress werden neben den direkten auch die indi­rekten Auswir­kungen der Pandemie auf Schmerz­pa­ti­enten disku­tiert. „Durch die Kontakt­be­schrän­kungen war der Zugang zu Diagnostik- und Thera­pie­mög­lich­keiten vorüber­ge­hend begrenzt“, sagt Meißner. Davon seien haupt­säch­lich Menschen mit neu aufge­tre­tenen Schmerzen betroffen gewesen, die länger auf Diagnose und Behand­lungs­be­ginn warten mussten. „Wir merken das noch heute an den verlän­gerten Warte­listen in den Schmerzambulanzen.“

Bereits in Behand­lung befind­liche Schmerz­pa­ti­en­tinnen und Schmer­pa­ti­enten hätten diese Auswir­kungen dagegen weniger zu spüren bekommen, wie Studien zeigten [3]. Eine gene­relle Zunahme von Beschwerden sei hier nicht zu beob­achten gewesen. In Einzel­fällen hätten Schmerz­pa­ti­en­tinnen und ‑pati­enten sogar von einer posi­tiven Stress­re­duk­tion berichtet – denn die pande­mie­be­dingten Einschrän­kungen seien ihrer vermin­derten Mobi­lität und Akti­vität entgegengekommen.

Lite­ratur

  1. Caronna E, Ballvé A, Llau­radó A et al. Headache: A striking prodromal and persis­tent symptom, predic­tive of COVID-19 clinical evolu­tion. Cepha­lalgia. 2020;40(13):1410–1421. doi:10.1177/0333102420965157
  2. Frithiof R, Rostami E, Kumlien E et al. Critical illness poly­neu­ro­pathy, myopathy and neuronal biomar­kers in COVID-19 pati­ents: A pros­pec­tive study. Clin Neuro­phy­siol. 2021 Jul;132(7):1733–1740. doi: 10.1016/j.clinph.2021.03.016
  3. Kerse­baum D et al. The early influence of COVID-19 pandemic-asso­ciated rest­ric­tions on pain, mood, and ever­yday life of pati­ents with painful poly­neu­ro­pathy. PAIN Rep 2020;5:e858.

Quelle: Deut­sche Schmerz­ge­sell­schaft e.V.

 

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