Kompakt Allgemeinmedizin
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Editorial: Digitalisierung der Medizin




Liebe Leserinnen und Leser,

vielleicht ist Ihr Sommerurlaub schon vorbei und der Praxisalltag hat Sie wieder. Besonders für Kollegen in Einzelpraxen ist eine längere Abwesenheit gegebenenfalls mit hinsichtlich der Arbeitslast eher negativen Aspekten verbunden: Befundberichte und Korrespondenz warten auf Bearbeitung, Patienten warten – trotz versierter Arbeit der vertretenden Kollegen – auf Konsultationen mit ihrem Hausarzt, um für sie wichtige Entscheidungen zu treffen. Vielleicht ist auch das eine oder andere während der Abwesenheit nicht in die gewünschte Richtung gelaufen. Das mag unbefriedigend sein, aber der Papierstau regt vielleicht zum Nachdenken an. Geht das alles nicht einfacher? Lassen sich die Dinge nicht effizienter lösen? Es spricht doch alle Welt immer von Vernetzung und Geschwindigkeit. Bei der Kommunikation mit unseren Praxen scheint dies noch nicht angekommen zu sein: Zum Beispiel kostet die Anfrage von Pflegepersonal an einen Hausarzt immens viel Zeit, es wird in diesem Prozess mehrfach händisch dokumentiert, es werden Faxe hin- und hergeschickt und es gibt vielleicht telefonische Nachfragen. Natürlich geht auf diesen Wegen auch gelegentlich Information verloren. Sollte man hier nicht bessere Lösungen verlangen? Ist es denn wirklich ein technisch nicht lösbares Problem, Anfragen aus einer Pflegedokumentationssoftware direkt in ein Praxisinformationssystem zu senden? Sind die rechtlichen Fragen dahinter zu kompliziert? Wäre es uns die Zeitersparnis nicht wert, solche Ansätze zu forcieren? Vielleicht würde dadurch die eigene Arbeit und die interprofessionelle Kooperation ein Stück leichter und besser. Am Ende könnten unsere Patienten von einer zügigen und sicheren Kommunikation profitieren.

Leider erscheint es schwierig, technische Lösung in einem Umfeld aus verschiedenen Akteuren und deren eigenen Produkten und Interessen zu etablieren. Auch wird die Übernahme innovativer Lösungen durch, größtenteils notwendige, Sicherheitsbeschränkungen erschwert. Haben Sie sich für die Durchführung einer Videosprechstunde entschieden und rechnen dies ab? Wahrscheinlich nicht. Denke ich über die hausärztliche Tätigkeit und unsere Konsultationsinhalte nach, so kommen mir, nicht nur in Anbetracht der mangelhaften IT-Infrastruktur im ländlichen Raum, deutliche Zweifel am entlastenden Potenzial solcher telemedizinischen Anwendungen. Die Mehrheit der Beratungsanlässe erfordert eine körperliche Untersuchung, Patienten haben etwa zwei verschiedene Beratungsanlässe pro Konsultation. Diese beiden Sachverhalte sind über lange Jahre konstant. Und sie machen die Lösbarkeit einer Konsultation ohne physischen Patientenkontakt unwahrscheinlich. Auch ist die Qualität eines solchen Arzt-Patienten-Kontaktes eine andere. So ist also auch die Frage, ob selbst im Falle des Ausreichens einer Videokonsultation, dies von Patienten akzeptiert und gewünscht wird. Unsere Patienten schätzen ihren persönlichen Hausarzt als ganzheitlichen Spezialisten mit nahem Kontakt.

Herzlichst!

Ihr Thomas Frese