Kompakt Allgemeinmedizin
https://www.kompakt-allgemeinmedizin.de/was-betroffenen-beim-zugang-zu-neuen-krebsmedikamenten-wichtig-ist/
Export date: Sun Nov 9 19:14:25 2025 / +0000 GMT

Was Betroffenen beim Zugang zu neuen Krebsmedikamenten wichtig ist




Was ist Krebspatienten bzw. ihren Angehörigen oder Freunden beim Zugang zu neuen Krebsmedikamenten wichtiger: der schnelle Zugang oder die Gewissheit, dass die jeweilige Substanz sie tatsächlich länger leben lässt? Um hierüber Klarheit zu gewinnen, wurde über Cint, eine Online-Plattform für Umfrageforschung, eine landesweit repräsentative Stichprobe älterer Erwachsener in den USA für ein online durchgeführtes diskretes Auswahlexperiment rekrutiert. Um teilnahmeberechtigt zu sein, mussten die Befragten selbst über Erfahrungen mit Krebs berichten, schildern Erstautor Robin Forrest von der London School of Economics and Political Science, Großbritannien, und seine Kollegen. Konkret heißt das, sie selbst, ein enger Freund oder ein Familienmitglied hatten früher oder aktuell eine Krebsdiagnose erhalten. Wie die Wissenschaftler ausführen, wählten 998 Befragte im Experiment zwischen 2 Krebsmedikamenten (07.–20.07.2023) und berücksichtigten dabei 5 Attribute: Funktionsstatus, Lebenserwartung, Gewissheit über den Überlebensvorteil eines neuen Medikaments, Wirkung des Medikaments auf einen Surrogatendpunkt und Verzögerung der Zulassung durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA). In die finale Analyse wurden 870 Teilnehmer (461 männlich, 406 weiblich und 3 andere) einbezogen. Wie die Auswertung ergab, zeigten sie eine starke Präferenz für eine hohe Sicherheit im Hinblick auf einen Überlebensvorteil (Koeffizient 2,61; 95%-KI 2,23–2,99) und eine starke Präferenz gegen eine 1-jährige Verzögerung der FDA-Zulassung (Koeffizient -1,04; 95% KI -1,31 bis -0,77). Angesichts einer sehr geringen Sicherheit, dass ein Medikament einen Überlebensvorteil bietet (keine Evidenz, die einen Surrogat-Endpunkt mit dem OS in Verbindung bringt), waren die Teilnehmer bereit, bis zu 21,68 Monate (95% KI 17,61–25,74) auf eine hohe Sicherheit (starke Evidenz) für einen Über­lebensvorteil zu warten. Die Wirkung eines Medikaments auf einen Surrogat-Endpunkt hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Medikamentenauswahl (Koeffizient 0,02; 95%-KI -0,21 bis 0,25). Ältere Befragte (Alter ≥55 Jahre), jene mit einer anderen Hautfarbe als weiß, Personen mit niedrigem Einkommen (<40.000 US-Dollar pro Jahr) und Personen mit der niedrigsten Lebenserwartung reagierten am empfindlichsten auf die Wartezeit. Fazit „Viele Krebsmedikamente, die im beschleunigten Zulassungsverfahren der FDA zugelassen wurden, bieten den Patienten keinen Überlebensvorteil“, kommentieren die Autoren abschließend. In dieser Studie hätten die Befragten starke Präferenzen für die Gewissheit geäußert, dass ein Krebsmedikament einen Überlebensvorteil bietet. Dabei hätten einige Personen auch eine höhere Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, auf mehr Gewissheit zu warten, als zur Beurteilung des Überlebensvorteils (im Vergleich zum PFS-Vorteil) der meisten Krebsmedikamente im metastasierten Stadium erforderlich wäre. (sf) Autoren: Forrest R et al. Korrespondenz: Robin Forrest; r.forrest@lse.ac.uk Studie: Preferences for speed of access versus certainty of the survival benefit of new cancer drugs: a discrete choice experiment Quelle: Lancet Oncol 2024;25(12):1635–1643. Web: https://doi.org/10.1016/S1470-2045(24)00596-5