Kompakt Allgemeinmedizin
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Demenz im Blut aufspüren

Empa-Forscher Peter Nirmalraj will Proteine in nie gekannter Präzi­sion ablichten – und damit Einblicke in das mole­ku­lare Krank­heits­ge­schehen von Alzheimer gewinnen. Dies soll den Weg zu einer früheren und verein­fachten Diagnose der Demenz­er­kran­kung über einen Blut­test ermög­li­chen. Gemeinsam mit der Klinik für Neuro­logie des Kantons­spital St.Gallen konnte nun eine erfolg­reiche Pilot­studie abge­schlossen werden.

Schleicht sich der Verdacht auf eine Alzheimer-Erkran­kung ein, müssen sich die Betrof­fenen auf lang­wie­rige und aufwän­dige Proze­duren einstellen, bis der Fall klar ist. Ein Team der Empa und des Kantons­spital St. Gallen ist nun dabei, einen Blut­test zu entwi­ckeln, der die Diagnose mittels Raster­kraft­mi­kro­skopie (AFM) ermög­li­chen soll. Nun haben die Forscher Ergeb­nisse einer erfolg­rei­chen Pilot­studie im Fach­ma­gazin «Science Advances» publiziert.

Tiefe Blicke ins mole­ku­lare Universum
Am Anfang stand für den Physiker Peter Nirmalraj der Wunsch, das Krank­heits­ge­schehen von Alzheimer zu verstehen, um neue Wege in Diagnostik und Therapie zu ermög­li­chen. Einen Schritt weiter wäre man, wenn die genaue Rolle der Beta-Amyloid-Peptide und der Tau-Proteine, die im Zusam­men­hang mit der neuro­de­ge­nera­tiven Krank­heit stehen, entschlüs­selt wäre. Nirmalraj hatte sich daher vorge­nommen, nicht nur die blosse Anwe­sen­heit der verdäch­tigen Eiweisse zu regis­trieren, sondern auch ihre verän­der­bare Gestalt und Form sowie ihre Anzahl zu bestimmen.

Gängige Methoden ermög­li­chen es zwar, die Gesamt­menge der beiden Eiweisse in Körper­flüs­sig­keiten zu bestimmen. Aller­dings erlauben es diese Tech­niken nicht, Unter­schiede in der Gestalt und dem Zustand der Prote­in­an­samm­lungen sichtbar zu machen. Der Forscher arbeitet darum an Tech­no­lo­gien, welche Beob­ach­tungen im Nano­me­ter­be­reich im Blut ermög­li­chen und dennoch die Struktur und Morpho­logie der Eiweisse nicht zerstören.

Gemeinsam mit Neuro­logen am Kantons­spital St. Gallen konnte Nirmalraj nun eine erste Studie erfolg­reich abschliessen. Für die Pilot­studie unter­suchte er Blut­proben von 50 Pati­en­tinnen und Pati­enten und 16 gesunden Versuchs­per­sonen. Mittels AFM-Tech­no­logie analy­sierte der Empa-Forscher hierzu die Ober­fläche von rund 1000 rote Blut­kör­per­chen pro Person, ohne jedoch Infor­ma­tionen über deren Gesund­heits­zu­stand zu kennen. «Nur so konnte garan­tiert werden, dass die Inter­pre­ta­tion der Daten objektiv blieb», sagt Nirmalraj.

Eiweiss­fa­sern als Indikator
Der Empa-Forscher vermass Grösse, Struktur und Beschaf­fen­heit von Protein-Ansamm­lungen, die sich auf den Blut­kör­per­chen befanden. Nach Tausenden von roten Blut­kör­per­chen erwar­tete das Team gespannt den Abgleich der Ergeb­nisse aus Nirmalraj’s Zählungen mit den klini­schen Daten der Neuro­logen. Und tatsäch­lich konnten die Forscher ein Muster erkennen, das zum Krank­heits­sta­dium der Versuchs­per­sonen passt: Menschen, die an Alzheimer erkrankt waren, wiesen grosse Mengen von Prote­in­fa­sern aus Beta-Amyloid-Peptiden und Tau-Prote­inen auf. Dabei konnten sich die Proteine zu Fasern von mehreren hundert Nano­me­tern Länge zusam­men­fügen. Bei gesunden Personen oder jenen mit begin­nenden Hirn­leis­tungs­stö­rungen zählte Nirmalraj hingegen ledig­lich wenige Fasern.

Damit sei die Mach­bar­keit einer Blut­ana­lyse mittels AFM-Tech­no­logie erwiesen, freut sich der Empa-Forscher: «Sollte sich mit dieser Methode ein zuver­läs­siger Blut­test entwi­ckeln lassen, bliebe Menschen mit Verdacht auf Alzheimer die unan­ge­nehme Punk­tion des Rücken­mark­ka­nals erspart, um die Krank­heit eindeutig diagnos­ti­zieren zu können.»

Bis ein einfa­cher Blut­test im Spital zur Verfü­gung steht, ist es aller­dings noch ein weiter Weg. Als nächstes möchte das Team nun die Daten durch die Unter­su­chung einer grös­seren Zahl an Versuchs­per­sonen in verschie­denen Krank­heits­sta­dien mittels AFM und chemi­schen Analysen erhärten.

Origi­nal­pu­bli­ka­tion: Nirmalraj PN, Schneider T, Felbe­cker A. Spatial orga­niza­tion of protein aggre­gates on red blood cells as physical biomar­kers of Alzheimer’s disease patho­logy. Sci Adv 2021 Sep 24;7(39):eabj2137. https://doi.org/10.1126/sciadv.abj2137

Quelle: Empa — Eidge­nös­si­sche Mate­ri­al­prü­fungs- und Forschungsanstalt

 

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